Dieser Kommentar ist zuerst erschienen im "Wochenblatt für Landwirtschaft und Landleben."
Wollen Sie heute etwas an den Mann oder die Frau bringen, brauchen Sie eine Geschichte. Ob Schokoriegel oder Fußballklub – Geschichten helfen, Informationen, Produkte oder ein bestimmtes Image zu vermitteln. „Storytelling“ nennt sich das neudeutsch. Auch in der Landwirtschaft hat das Storytelling längst Einzug gehalten.
Denken Sie etwa an die Hofgeschichten bei der Initiative „Mag doch jeder“ oder das Projekt „#ZukunftsBauer“. Beides ambitionierte und folgerichtige Ansätze, die von einer modernen Landwirtschaft erzählen. Wichtiger Bestandteil: Geschichten von Landwirten als Klimawirte und -schützer. Allerdings erzählt ausgerechnet die Branche selbst ihre Geschichte nicht konsequent zu Ende. Und rüttelt damit am eigenen Image.
Landwirte reagieren flexibel
Lassen Sie mich etwas ausholen: Für einen Schwerpunkt habe ich mit Prof. Franz von der Universität Osnabrück gesprochen. Er forscht zu Einstellungen in der Landwirtschaft. Welche Motive genau steckten hinter den Bauerndemos vor eineinhalb Jahren? Wie stehen Landwirte zum Klimawandel? Dabei ist er – salopp gesagt – manchmal mit seinem Latein am Ende. Er sagt: „Die Schere zwischen den tatsächlichen Problemen auf den Höfen und dem, wofür man eintritt, geht ganz schön weit auseinander.“
Die Schere zwischen den tatsächlichen Problemen auf den Höfen und dem, wofür man eintritt, geht ganz schön weit auseinander.“
Da sind auf der einen Seite die existenziellen Sorgen, von denen die Betriebe berichten: niedrige Preise und zunehmend zu trockene oder zu nasse Perioden. Ein Großteil der Befragten war schon selbst von Extremwetterereignissen betroffen. Darauf reagieren die Landwirte. Sie passen Sorten und Kulturen an oder produzieren klimaschonend Milch und nachhaltig Strom. „Das war schon immer die große Stärke der Branche“, sagt. Prof. Franz. „Sich dynamisch auf neue Bedingungen einstellen.“
Bauernverband propagiert Status quo
In diese schöne Geschichte stolpert allerdings ein „Aber“. Ja, Landwirte sehen die Auswirkungen des Klimawandels und passen ihre Betriebsabläufe an – aber fast drei Viertel der von Prof. Franz Befragten relativieren entweder den menschengemachten Klimawandel oder sehen keinerlei Verantwortung ihrer Branche. Überdurchschnittlich stark ausgeprägt sind diese Einstellungen bei denjenigen, die an den Protesten 2023/2024 teilgenommen haben. Also bei denen, die das Bild der Branche prägen, die die „Story“ der Landwirtschaft medienwirksam miterzählen.
Auch der Bauernverband und seine führenden Köpfe tragen diese Geschichte weiter. Indem sie zum Beispiel immer wieder auf den großen gesellschaftlichen Rückhalt der Proteste verweisen. Die Botschaft: Alle finden gut, was wir machen, also weitermachen. Viel Status quo, wenig Dynamik.
Landwirtschaft als Treiber der Energiewende zeigen
Dabei eignet sich der tatsächliche Umgang mit dem Klimawandel super dafür, die Geschichte der „#ZukunftsBauer“ zu erzählen. Das erfordert Mut und Konsequenz. Und heißt zum Beispiel: sich nicht nur auf tollen Zustimmungswerten für ein Festhalten an fossilen Privilegien auszuruhen. Sondern deutlich(er) machen, dass die Branche innovativer Treiber der Energiewende ist.
Das könnte aber auch heißen: nicht nur auf den im Vergleich relativ kleinen Anteil der Landwirtschaft an den Gesamt-Treibhausgasemissionen zu verweisen. Sondern die eigene Verantwortung aktiv(er) anzugehen. Offen zu kommunizieren: Wir werden Emissionen nicht komplett vermeiden können, aber wir tun unser Bestes! Die neuen Zahlen des Expertenrates für Klimafragen deuten in die richtige Richtung. Diese Geschichte ist es wert, erzählt zu werden! Eine ehrliche Mut-mach-Geschichte mit Bestseller-Potenzial.