Unser Autor, Rechtsanwalt Dr. Lewente B. Bräuer-Nagy berichtet.
Der Oberste Gerichtshof (OGH) hat kürzlich entschieden, dass ein Landwirt nicht automatisch haftet, wenn eine Mutterkuh auf der Weide einen Wanderer verletzt – anders als in der viel beachteten „Pinnistal“-Entscheidung aus dem Jahr 2020. Damals wurde dem Tierhalter eine Mitschuld zugesprochen. Er hielt seine Mutterkühe in unmittelbarer Nähe eines stark frequentierten Gasthauses und Almgebäudes. Die Tiere waren bereits früher durch aggressives Verhalten gegenüber Hunden aufgefallen. Der Landwirt hätte die Gefahr erkennen und einen Elektrozaun aufstellen müssen, so das Urteil. Zugleich wurde der Hundehalterin ein Mitverschulden von 50 % angelastet, da sie die typischen Schutzreaktionen von Mutterkühen gegenüber Hunden hätte kennen müssen.
Jetzt stellte sich die Ausgangslage anders dar: Ein Ehepaar ohne Hund wurde auf einem Almweg von einer Mutterkuh angegriffen, als es in geringem Abstand an der Kuh mit ihrem Kalb vorbeiging. Der Weg war nicht stark frequentiert, am Beginn stand ein deutlich sichtbares Warnschild mit Hinweisen zum Verhalten gegenüber Weidevieh – insbesondere bei mitgeführten Hunden. Die Frau klagte auf Schadenersatz und wollte den Landwirt haftbar machen.
Keine automatische Haftung bei Verletzung durch Tiere
Nach dem Gesetz haftet ein Tierhalter nur dann, wenn er seine Sorgfaltspflichten verletzt hat. Das bedeutet: Keine automatische Haftung nur deshalb, weil ein Tier jemanden verletzt. Seit 2019 gilt für die Alm- und Weidewirtschaft, dass sich Landwirte an anerkannten Standards der Tierhaltung orientieren dürfen. Gleichzeitig wird von Wanderern ein gewisses Maß an Eigenverantwortung verlangt – etwa im Umgang mit Mutterkühen, die ihre Kälber instinktiv schützen.
In seiner aktuellen Entscheidung hat der OGH deutlich gemacht, dass eine Haftung des Tierhalters nicht automatisch eintritt, sondern stets vom Einzelfall abhängt. Für Landwirte heißt das: Wer ortsüblich wirtschaftet, keine Gefahren erkennt und Wanderer wirksam warnt, ist rechtlich gut abgesichert. Sobald jedoch konkrete Gefahren erkennbar sind – sei es durch das Verhalten einzelner Tiere oder durch eine exponierte Lage der Weideflächen in touristisch stark frequentierten Bereichen – steigt die Sorgfaltspflicht.
In solchen Fällen kann eine einfache Absperrung wie ein Elektrozaun erforderlich sein. Landwirte sollten daher frühzeitig erkennen, angemessen darauf zu reagieren und getroffene Maßnahmen gut nachvollziehbar zu dokumentieren.