Auch in Kärnten gefährdet die Rückkehr der Wölfe nicht nur die Weidetiere und die wirtschaftliche Grundlage der Almbäuerinnen und -bauern, sondern bedroht auch die Artenvielfalt in den sensiblen alpinen Lebensräumen. Darauf weist die LK Kärnten bei einer Alm-Pressekonferenz hin.
Extra dazu angereist war auf Einladung der LK Kärnten der Schweizer Biologen Marcel Züger. Und dieser warnt: „Wir sehen in der Schweiz, dass die Rückkehr der Wölfe mittelfristig großflächig zur Aufgabe der Bewirtschaftung führt – mit dramatischen Folgen für die Artenvielfalt!“.
"Wolf selbst gefährdet die Artenvielfalt"
Das zeigt Züger, einst ein glühender Wolfs-Befürworter, auch in seinem neu erschienenen Buch mit dem Titel „Mensch, Wolf!“ auf. Darin beschreibt er die Bedeutung des Alpenraums für den internationalen Naturschutz und die Konflikte mit einwandernden Wölfen. Besonders gefährdet sind laut dem Schweizer Experten endemische Arten – das heißt Arten, die nur in einem eng abgegrenzten geografischen Gebiet vorkommen und nirgendwo sonst auf der Welt.
Der österreichische Alpenraum weist europaweit eine einmalig hohe Zahl solcher Endemiten auf. In Kärnten sind das Arten wie der Kärntner Kuhfuß oder die Kärntner Gebirgsschrecke, die auf offene, regelmäßig genutzte Almflächen angewiesen sind. „Auch das österreichische Umweltbundesamt bestätigt, dass die Nutzungsaufgabe und nicht die landwirtschaftliche Nutzung die größte Bedrohung für zahlreiche gefährdete Arten darstellt.“ Damit werde der Wolf, so Züger, „selbst zur Gefährdung der Artenvielfalt“.
Der Wolf selbst ist nicht bedroht, um die 60.000 Exemplare streifen durch Europa. Meist wird ein Bestand von rund 23.000 Wölfen genannt. Diese Zahl umfasst jedoch nur die EU plus die Schweiz und Ex-Jugoslawien. Auf dem ganzen Kontinent bis zum Ural lebt jedoch fast die dreifache Anzahl. Züger betont, dass es sich dabei um eine einzige Population handelt.
„Herdenschutz ist ein Desaster“
Darüber hinaus äußert sich der Biologe kritisch zu Herdenschutzmaßnahmen: „Je stärker der Schutz ist, desto gravierender sind die Kollateralschäden. Zäune zerschneiden Lebensräume und werden zu Todesfallen für Wildtiere. Herdenschutzhunde stören das Wild massiv, zum Teil wildern sie sogar. Solche Maßnahmen stehen im direkten Widerspruch zu geltenden Naturschutzzielen.“
Weiters zeigen laut Züger Erfahrungen aus der Schweiz, dass Wölfe clevere Jäger sind, die lernen, Herdenschutzmaßnahmen zu überwinden, was in weiterer Folge zu massiven Schäden an landwirtschaftlichen Nutztieren führt. Vor diesem Hintergrund ist die Schweiz trotz millionenschwerer Investitionen in den Herdenschutz dazu übergegangen, ganze Wolfsrudel zu entnehmen. Allein im Jahr 2024 wurden von rund 300 Wölfen rund 100 entnommen.
Gruber: "Wolf hält sich nicht an administrative Grenzen"
Agrarreferent LHStv. Martin Gruber knüpft an die Ausführungen Zügers an: „Wer sich in zehn Jahren noch an unseren Almen erfreuen möchte, sollte bedenken, dass der uneingeschränkte Schutz für eine der sich am schnellsten vermehrenden Tierarten in unseren Breiten die Artenvielfalt und vor allem die traditionelle Almwirtschaft massiv gefährdet."
Die Schilderungen von Marcel Züger zeigen laut Gruber die Schweizer Realität, im Gegensatz zu dem, was NGOs gerne über Herdenschutz in der Schweiz behaupten. "Wir tun alles, damit so eine Entwicklung bei uns nicht eintritt. Deshalb haben wir die Wolfsverordnung und das Alm- und Weideschutzgesetz. Deshalb haben wir uns für die Absenkung des Schutzstatus eingesetzt“, so Gruber.
Auf EU-Ebene brauche es nun aber noch weitere Schritte, insbesondere was die Beurteilung des Erhaltungszustands angeht. „Der Wolf hat riesige Streifgebiete und hält sich nicht an administrative Grenzen“, erklärt Gruber. Man müsse endlich von einer gemeinsamen Population im gesamten Alpenraum ausgehen. „Das würde uns ein Wolfsmanagement ermöglichen“, betont der Kärntner Jagd- und Agrarreferent.
Siegfried Huber, Präsident der Landwirtschaftskammer Kärnten, sieht die ablehnende Position der LK Kärnten zum Thema Herdenschutz durch den Schweizer Experten bestätigt: „Herdenschutz ist ein teures Ablenkungsmanöver, das in der Praxis nichts bringt, sogar Schäden verursacht. Die Wahrheit ist: Herdenschutz funktioniert nicht.“ Huber begrüßt die nunmehr beschlossene Absenkung des Schutzstatus des Wolfs auf EU-Ebene: „Auch Länder wie Italien und Slowenien müssen nun endlich Verantwortung übernehmen und Wölfe entnehmen – denn von dort wandern die Tiere unkontrolliert auf unsere Almen zu. Kärnten kann die Last nicht alleine tragen.“
Obweger: "Folgenschwere Konflikte wären vorprogrammiert"
Josef Obweger, Obmann des Kärntner Almwirtschaftsvereines, verweist auf sich häufende Erfahrungsberichte von Almbauern und Hirten, dass oft ganze Rinderherden nach einem offensichtlichen Kontakt mit Großraubtieren ihr Verhalten plötzlich ändern und vor allem Hunden gegenüber noch unberechenbarer reagieren.
„Das Risiko von Zwischenfällen mit Wanderern, wie jener vor einer Woche auf einer Alm in Heiligenblut, wird damit noch zusätzlich erhöht. Auch ein verstärkter Einsatz von Herdenschutzhunden auf Almen, wie vielfach als Schutzmaßnahme für Weidetiere vor Wölfen empfohlen, würde diese ohnedies bereits sehr brisante Thematik noch wesentlich verschärfen.“ Eine Häufung von folgenschweren Konflikten zwischen Almvieh und Almbesuchern inklusive zusätzlicher Haftungsfragen wären damit klar vorprogrammiert, warnt Obweger.